Das ängstliche Entenkind

Eine Kurzgeschichte von Sabine Graichen

Jetzt anhören oder selber lesen! Für Kinder und Menschen, die nicht erwachsen werden möchten.

Auch als Download erhältlich.

 


In einem Dorf hinter vielen Hügeln und Feldern, vorbei an einem großen Schornstein und einer Windmühle, lebte eine Familie auf einem Bauernhof mit vielen Tieren. Da gab es Hühner, Hunde, Katzen, Kaninchen und Enten. Die Enten hatten einen Teich nur für sich allein, die Kaninchen einen Stall mit Auslauf, und auch für die Hühner gab es einen Hühnerstall mit einer grünen Wiese. Eine Entenfamilie freute sich über Nachwuchs. Drei Küken hatten es geschafft. Sie waren ganz fröhlich aus ihren Eiern geschlüpft und blinzelten nun in die Sonne.

 

"Hallo mein liebes Kind.", sagte die Entenmutter zu jedem ihrer Entenkinder. Zwei von ihnen waren schnell ganz mutig und machten eine kleine Erkundungstour am Wasser. Nur das Dritte hatte Angst. Es watschelte vorsichtig los, plumpste aber immer wieder hin. "Mama, ich kann das nicht!", klagte es. Die Entenmama half ihm auf. Wieder wollte es los watscheln und stolperte. Es schaute traurig und die Augen füllten sich mit Tränen. "Ich kann das nicht!", schluchzte es. Noch einmal half Mama-Ente nach: "So mein Schatz, von nun an musst du es allein schaffen.", schnatterte sie ruhig. Während die anderen beiden Küken schon vergnügt um den Teich jagten, war das dritte Entlein immer noch ängstlich. Kaum war es aufgestanden und wollte los watscheln, stolperte es über seine großen Flossen. "Ich kann das nicht.", weinte es. "Nie werde ich so schnell laufen können, wie meine Geschwister.", jammerte es und dicke Tränen kullerten über das kleine Entengesicht. Da kam eine kleine Maus vorbei und blieb verwundert stehen: "Was jammerst du denn so herzzerreißend?", fragte die Maus. Das Entenkind war ganz erschrocken, eine Maus hatte es noch nie gesehen. Schnell wollte es sich verstecken und schlüpfte unter Mamas' Bauch. Nach ein paar Minuten kam es vorsichtig wieder raus gekrochen. Die Maus war weg.

 

Wieder versuchte das Entenkind, so loszuwatscheln, wie die anderen Enten. Es wurde mit jedem Versuch besser. Als es fast bei seinen Geschwistern am Teich angekommen war, fiel es wieder hin und begann jämmerlich zu weinen. Die Maus stand wieder vor ihm und fragte: "Was weinst du denn so? ". Das Entlein blickte erschrocken auf, aber Mamas Bauch zum Verstecken war nicht da. "Ich kann nicht laufen.", klagte es, "Immer wieder fall ich auf den Schnabel. Meine Füße sind viel zu groß. Wie soll man damit richtig laufen?", schnatterte das Entenkind. "Meine Füße sind viel größer als die Füße meiner Geschwister. Wie soll ich damit hinterherkommen? Ich fall ja immer darüber. ". Die Maus lachte. Dann setzte sie sich vor das Entlein und sagte ruhig: "Weißt du denn gar nicht, dass du eine Ente bist?", fragte die Maus. Das Entlein antwortete verwundert: "Doch! Na klar bin ich eine Ente. Das weiß ich sehr wohl! ". Die Maus stand auf und verabschiedete sich: "Na dann musst du ins Wasser gehen. Du wirst sehen, dass du dort viel schneller als deine Geschwister sein wirst mit deinen großen Füßen...äh Flossen.", dann rannte die Maus weiter. Das hatte das Entlein zum Nachdenken gebracht. Was, wenn die Maus recht hatte?

 

Es dauerte nicht lange, da lud die Entenmama ihre Kinder zu einer ersten Entdeckungsrunde auf den Teich ein. Jetzt ging es das erste Mal ins Wasser. Wieder traute sich das Entenkind erst nicht. Die anderen Enten und seine Geschwister konnten sich im Wasser so gut bewegen. Nach laaaangem Zögern dann wagte es den Sprung ins Wasser. - Schreck lass nach! War das schön! Das Entlein paddelte fröhlich vor sich hin. Und es dauerte nicht lange, bis es erkannte, dass es im Wasser tatsächlich viel schneller war, als seine Geschwister. Von da an war das Entlein sehr stolz auf seine großen Flossen und es düste vergnügt jeden Tag mit den anderen quer über den Teich. Ente gut, alles gut!

 

Jeder kann etwas besonders gut, weil er einzigartig ist.